türkçe

Arbeits-/Sozialrecht: In Berlin sind bei Vollzeit 1.058 Euro brutto (815 Euro netto) sittenwidriger Lohn

Arbeitsangebote unterhalb dieses Betrages müssen nicht angenommen werden

16.01.2012
Rechtsanwalt Jörg Schindler

In der Bundesrepublik existiert kein allgemeingültiger gesetzlicher Mindestlohn. Gleichwohl gibt es - tarifliche und durch die Rechtsprechung festgelegte - Lohnuntergrenzen. Die Gerichte beziehen sich dabei auf einen Passus im BGB. Danach ist ein sittenwidriges Geschäft nichtig. Deshalb gilt ein sittenwidrig niedriger Lohn nicht.

Es ist regional sehr unterschiedlich, was Gerichte als "sittenwidrig" geringen Lohn ansehen. Generell orientieren sich die Gerichte dabei an dem Tarifniveau der Region sowie dem Regelsatz zzgl. eines angemessenen Mietbetrages für einen Ein-Personen-Haushalt.

Die Rechtsprechung unterliegt daher naturgemäß Schwankungen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Sozialgerichts Berlin gilt jedoch in Berlin ein Lohn für das Jahr 2011 bei einer Vollzeitbeschäftigung mit einer monatlichen Bruttovergütung von weniger als 1058 Euro (netto: 815 Euro) als sittenwidrig. Das entspricht einem Stundenlohn bei einer 38,5-Stunden-Woche von 6,34 Euro.

Das hat z.B. folgende Konsequenzen:

Arbeitnehmer/-innen können, wenn Löhne unterhalb dieser Grenze vereinbart wurden und tarifliche Regelungen keine besondere Lohnhöhe vorsehen, den Differenzlohn bei dem Arbeitsgericht geltend machen.

Arbeitslose können nicht durch die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter in Berlin zur Annahme eines solchen gesetzwidrigen Arbeitsverhältnisses gezwungen werden. Die Nichtannahme eines solchen Stellenangebots berechtigt die Agentur für Arbeit oder die Jobcenter also nicht zur Sperrzeit oder Sanktion. Dies gilt auch bei Vereinbarungen durch Eingliederungsvereinbarungen.

Sollten Sie eine Sanktion oder Sperrzeit erhalten haben oder Differenzlohn zu 6,34 Euro je Stunde geltend machen wollen, stehen wir Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte in unserem Büro zur Verfügung.