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Sozialrecht Hartz IV: Sozialgericht Berlin kippt Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV)

Praktische Folge: ALG-II-Berechtigte können mehr Leistungen zur Miete bekommen

07.03.2013
Rechtsanwalt Jan Becker

Die aktuelle Wohnaufwendungsverordnung (WAV) ist nicht schlüssig, um im Hartz IV – Leistungsbezug die angemessenen Wohnkosten zu bestimmen. Das hat das Sozialgericht Berlin in einem ersten Hauptsacheverfahren entschieden (Verfahren S 37 AS 30006/12, Urteil vom 22.03.2013).

fehlerhafte Richtlinie

Das Sozialgericht hält die Richtlinie für gravierend fehlerhaft. Damit bestätigt das Gericht die Rechtsauffassung, die in unseren Büros schon seit Inkrafttreten der WAV vertreten wird. Außerdem ist erneut bestätigt: Die Tabellen und Werte, die die Jobcenter als Obergrenze für Mietkosten in Berlin vorgeben, sind kein Gesetz und sie sind mit Widerspruch und Klage in jedem Einzelfall zu überprüfen. Vor allem betont das Gericht in der Begründung an mehreren Stellen, dass der Berliner Mietspiegel als Datengrundlage allein nicht ausreicht, um im SGB-II–Bereich angemessene Wohnkosten zu bestimmen.

Chancen jetzt: Mehr Leistungen für die Miete, weniger Zwangsumzüge, bessere Chancen auf Zusicherung durch Widerspruch und Eilverfahren oder Klage

Das bedeutet praktisch: Nahezu alle Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger von SGB-II–Leistungen, die bis jetzt nicht die volle Miete erhalten, haben eine deutliche Chance auf höhere Leistungen für die Wohnkosten. Das bedeutet auch: Alle, die eine Aufforderung erhalten haben, ihre Wohnkosten zu senken, haben eine deutliche Chance, Ihre Wohnung für wesentlich längere Zeit weiter zu behalten. Und das Urteil bedeutet: Wer gerade auf Wohnungssuche ist und ständig Ablehnungen auf den Antrag zur Zusicherung erhält, hat jetzt deutliche Chancen, auch etwas teurere Wohnungen nehmen zu können.

Das Urteil kann vom Jobcenter noch mit der Berufung angegriffen werden. Es enthält aber eine durchdachte und gut vertretbare Begründung. Vor diesem Hintergrund raten wir allen Hartz IV - Berechtigten, die nicht die vollständigen Wohnkosten erhalten, ihre Bescheide zu überprüfen. Gegebenenfalls kann durch Widerspruch bzw. Überprüfungsantrag auch rückwirkend noch der Anspruch auf Übernahme weiterer Wohnkosten rechtlich durchgesetzt werden. Bei Details zur Sicherung Ihrer Ansprüche stehen wir zur Verfügung.